Störwebermuseum

Der Weber auf der Stör

Besichtigung und Führung nach telefonischer Vereinbarung

Entwicklung
Im Mittelalter entwickelten sich die Handwerke zuerst in der geschlossenen Hofhaltung von kirchlichen und adeligen Herren, wo handwerkliche Tätigkeiten von Leibeigenen ausgeführt wurden. Als sich, vor allem in den Städten, selbstständige Berufe herausbildeten, organisierten sich die Handwerker in Bruderschaften (zum Beispiel die Bruderschaft der Weber in Meran) und Verbänden der einzelnen Berufe, den späteren Handwerkszünften. Sie blieben in ihrer Struktur bis ins 19. Jh. fast unverändert. Die Zünfte hatten großen Einfluss und stärkten ihre Machtposition durch starre Zunftordnungen, so dass sich kaum jemand außerhalb der Handwerkerfamilien selbstständig machen konnte.

Tiroler Bauern als Selbstversorger und Handwerker
In der tirolischen Landesverordnung von 1532 wurde aufgrund des Wiederstandes der Bauern den Handwerkern auf dem Land Gewerbefreiheit zugesichert. Überbevölkerung, reale Erbteilung und die langen arbeitsarmen Wintermonate waren für Bauern Anlass zur Ausübung eines Nebenerwerbes. Zunächst waren auch die bäuerlichen Weber in Zünften organisiert. Ab 1770 unterstand das Textilgewerbe der Kommerzbehörde und war von der Zunftordnung frei. In der Deckung des Bedarfs an Kleidung und Wirtschaftsgeräten strebten die Bauern weitestgehend Selbstversorgung an und verkauften darüber hinaus nur was sie aus eigenen Rohstoffen erzeugen konnten.

Hausindustrie
Im Unterschied dazu arbeiteten Handwerker für den Markt. Im Textilbereich  entwickelte sich eine abhängige Arbeitsorganisation, die sog. Hausindustrie, bei der die Beschaffung der Rohstoffe, die Arbeitsorganisation und der Absatz der Ware von Unternehmern organisiert wurde.

Der Störweber
Störweber stellten eine eigene Gruppe dar.  Sie waren keine selbstständigen Handwerker sondern Lohnarbeiter,  gingen von Hof zu Hof und verwebten das, was im Laufe des Jahres an Flachs und Wolle hergestellt worden war. Manche verfügten auch über einen eigenen Webstuhl, so dass sie im Sommer Material verarbeiteten, das ihnen gebracht wurde. Arbeitsaufträge wurden nach der Kirche oder im Gasthaus erteilt.
 

„in die Stear gehen“ 

War der Weber „in die Stear“ bestellt, kam der Meister früh morgens auf den Hof. Zunächst begutachtete er das am Hof erzeugte Garn aus Flachs und Wolle, wog es ab und berechnete daraus die Größe der fertigen Stoffe. 

Entsprechend seiner Berechnungen bereitete er die Kettfäden (auch Zettel genannt) vor. Das sind diejenigen Fäden, die am Webstuhl in Längsrichtung aufgespannt werden. Die Kettfäden werden zunächst an einem Gestell (Zettelrahmen) auf gleiche Länge gebracht. Diesen Vorgang nennt man „Zettel machen“ oder auch  „schweifen“. Dann werde die Fäden gemeinsam vom Zettelrahmen in einer Art Häkelzopf abgenommen. So kann der Zettel ohne zu verwirren transportiert werden. War am Hof kein Zettelrahmen vorhanden, richtete der Webermeister die Ketten in seiner Werkstatt her, oder er brachte den Rahmen samt Zettelbrett und Zettelgatter für die Spulen mit.

Zum Weben, auch „wirken“ genannt, schickte der Meister den Gesellen oder Lehrbuben mit den Ketten und weiterem  Handwerkszeug zurück auf den Hof. Waren dort zwei Webstühle vorhanden, kam er selber mit. Die Weber blieben je nach Erfordernis mehrere Tage bis Wochen vor Ort. 

Der Webstuhl befand sich auf dem Hof und wurde auf der Stubenbank aufgerichtet. Gemeinsam mit drei bis vier Personen wurde die Kette auf den Garnbaum gewickelt. Man nennt den Vorgang „treiben“. Danach hängte der Weber das sog. „Gehänge“ in den Webstuhl. Jeder Faden ist dort eingefädelt und kann über Fußtritte (Trittscheiter) bewegt werden.  Je nach Muster und Fadendichte benötigte der Weber ein anderes Gehänge, das er den Erfordernissen entsprechend auswählte und mitbrachte. Im Gehänge befinden sich noch die Kettfadenenden des letzten Gewebes: Man nennt diesen Teil Trumm  (Triam). An den Fäden des Trumm werden die Fäden des neuen Zettels angeknotet oder angedreht. Zum Schluss hängt der Weber die Lade (Schlag) in den Webstuhl und klemmt in ihr das Blatt ein. Das Blatt sorgt für eine gleichmäßige Dichte der Kettfäden und dient zum Andrücken des Eintrages (Schussfaden). Außerdem werden noch die Trittscheiter angebracht und die Kettfäden an einer Verlängerung des Tuchbaumes festgebunden.

Die Spulen für das Schiffchen machte die Bäuerin. Das ersparte Arbeitszeit. Zum Weben mussten die Kettfäden geschmeidig gemacht werden. Dazu bracht der Weber mit zwei Bürsten einen Brei aus Roggenmehl und Buttermilch (Schlichte) auf die Kettfäden auf. War der Stoff fertig gewebt, schnitt der Weber den Stoff ab, nahm ihn aus dem Webstuhl und vernähte die Fehler. Danach wurde eine neue Kette aufgespannt. Nach Beendigung aller  Arbeiten wurde der Webstuhl wieder im Stadl oder Schupfn verräumt.

Gesellschaftliche Bedeutung
Die Störgeher waren am Hof eine willkommene Abwechslung. Neben der harten Arbeit wurde viel gelacht und Neuigkeiten ausgetauscht.  War die Bäuerin um eine gute Versorgung  bemüht, ging dadurch die Arbeit schneller von der Hand und der Störgeher musste nicht so lange mitversorgt werden.

 

Quellen:
Die Bäuerliche Nutzweberei im Gadertal, Staggl Verena, 1983

Das steirische Handwerk, Katalog zur 5. Landesausstellung, 1. Teil: Handbuch, Graz 1970

Zur Geschichte des bäuerlichen Hausgewerbes in Tirol, in: Tiroler Wirtschaft in Vergangenheit und Gegenwart Band 1, Wopfner Hermann, 1951